Faszination Ägypten

Wahlen

Die Wahlen in Ägypten haben seit 2005 eine ganz andere politische Bedeutung angenommen als in den Jahrzehnten zuvor. Erstmals seit den 1970er Jahren, als die Verfassung einer ersten Reform unterzogen wurde, durften sich mehrere Kandidaten für das Amt des Präsidenten bewerben. Zuvor konnte das ägyptische Volk den vom Parlament vorgeschlagenen einzigen Kandidaten lediglich per Direktwahl entweder seine Zustimmung erteilen oder verweigern. Der Manipulation waren Tür und Tor geöffnet und ein Autokrat wie Mubarak konnte 30 Jahre lang das Land im Ausnahmezustand per Notstandsgesetz regieren. Wahlergebnisse wurden manipuliert und gefälscht, Gegner des ägyptischen Wahlsystems landeten im Gefängnis. Doch 2005 wurde alles anders: Auf Druck der USA wurde die Kandidaten-Vielfalt in der Verfassung verankert und Ägypten gingen einen weiteren Schritt in Richtung Demokratie – allerdings zunächst nur auf dem Papier.

Bei den Präsidentschaftswahlen am 7. September 2005 war Mubarak mit über 88 Prozent der Wählerstimmen für die nächsten sechs Jahre in seinem Amt bestätigt worden – bei einer äußerst geringen Wahlbeteiligung von wenig mehr als 20 Prozent. Internationale Beobachter, nach den demokratischen Spielregeln sonst übliche Begleiter von Wahlen, waren ausgeschlossen, Menschenrechtsgruppen und Vertreter der Opposition wurden bedrängt. Im Vorfeld der Wahlen war es zu Bedrohungen anderer Kandidaten gekommen, die meisten hatten ihre Kandidatur wieder zurück gezogen. Schon damals zeichnete sich ab, dass sich das ägyptische Volk die politische Bevormundung bei den Wahlen nicht länger würde gefallen lassen. Als sich das Spiel im Wahlkampf 2010 wiederholte, begehrte es endlich auf. Im Februar 2011 musste Mubarak gehen, noch vor den Wahlen im Herbst.

In Ägypten wird nicht nur der Präsident, sondern auch das Parlament alle sechs Jahre gewählt. Aufgebaut ist es nach britischem Vorbild in Unterhaus und Oberhaus: Großbritannien übte seit den Kolonialzeiten traditionell großen Einfluss auf das System der keimenden Demokratie am Nil aus. Bei den Wahlen treten pro Partei immer zwei Kandidaten für einen Wahlkreis an, und die Namen beider müssen auf dem Wahlzettel angekreuzt werden, damit die Stimme gültig ist. Massive Einschüchterungs- und Manipulationsversuche an den ägyptischen Wählern – Männer und Frauen sind gleichermaßen wahlberechtigt – änderten nichts am Wandel in der Parteienlandschaft: Neben Mubaraks Nationaldemokratischer Partei zogen auch diverse Oppositionsparteien gestärkt in das Parlament ein.